Kinderbeteiligung

Wir sind erstaunt darüber, dass wir in Deutschland eine solche Distanz zu unseren Kindern haben und ihnen nicht zutrauen, ihre Zukunft mitzugestalten. Es ist ja so, dass diese Zukunft durch Erwachsene gründlich in Frage gestellt wird. Wir Erwachsene machen viele Fehler, wie wir in Politik, Umwelt und Gesellschaft feststellen müssen. Wir setzen dieses fehlerhafte Verhalten aber auch fort, obwohl wir von allen Seiten gewarnt werden.

Mit einer Aktionskonferenz möchten wir den Weg ebnen für ein neues Bewusstsein in der Zusammenarbeit mit Kindern.

 

Da lohnt es sich doch, über den Tellerrand zu schauen.

Kinderbeteiligung in den Niederlanden

Wir haben natürlich keine Prinzessin wie die Niederlande, die sich ganz der Mitbestimmung von Kindern in ihrem Land widmet. Aber wir können von den Nachbarn lernen.
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Die gesamte Struktur der Kinderbeteiligung in den Niederlanden kann auf Prinzessin Laurentien van Oranje zurückgeführt werden. Sie gründete 2009 die Missing Chapter Foundation. Prinzessin Laurentien ist davon überzeugt, dass Entscheidungen nur langfristig tragfähig sind, wenn ihnen ein ernsthafter Dialog mit den von den Entscheidungen Betroffenen vorausgegangen ist. Mit der Missing Chapter Foundation wandte sich Prinzessin Laurentien der Arbeit mit Kindern zu. Zweck der Stiftung ist, Kinder und Entscheidungsträger zusammenzubringen, um gemeinsam Nachhaltigkeitsthemen zu diskutieren und Lösungen zu finden. Denn Entscheidungsprozesse profitieren von der besonderen Logik von Kindern, ihrer Art Fragen zu stellen und ihren innovativen Denkansätzen.

Raad van Kinderen – Kinderräte

Ein Instrument sind hierbei die Kinderräte, die Prinzessin Laurentien gemeinsam mit UNICEF entwickelt hat und mit denen heute über 80 Unternehmen, Schulen und andere Organisationen zusammenarbeiten. Durch die Mitarbeit in den Kinderräten bekommen Kinder die Möglichkeit, sich mit realen strategischen und sozialen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Die Entscheidungsträger in den Organisationen wiederum lernen durch den Austausch mit den Kindern, Themen aus neuen Blickwinkeln zu betrachten; Lehrer werden inspiriert von den kreativen Ideen ihrer Schüler:innen.

Im Durchschnitt sind es die 10jährigen Mädchen und Jungen, die dabei große Aufgaben übernehmen. Auf unser Schulsystem übertragen, beginnen die Vorarbeiten in der 3. Klasse der Grundschule. Gegen Ende des 3. Schuljahres beginnen im ganzen Land die Ausschreibungen für die politischen Ämter. Die meisten Grundschulen, zumindest in den etwa 100 Städten und Gemeinden mit Kinder-Amtsträger*innen, beteiligen sich.

Dieses Alter ist deswegen so wichtig, sagt Prinzessin Laurentien, weil ältere Kinder zunehmend in erwachsenen Denkweisen integriert sind und das WARUM-Fragen ablegen. Es seien aber gerade diese WARUM-Fragen, die Kinder, befähigten, die ein Korrektiv für die Erwachsenen zu sein. Das beweisen die eingebundenen Kinder in den Niederlanden täglich.

Es gibt den National Raad von Kinderen auf Landesebene und Kinderräte in vielen Regionen.

 

Kinderburgermeester (Kinderbürgermeister*innen)

In etwa 100 Städten und Gemeinden übernehmen  Kinderbürgerrmeister*innen wichtige Aufgaben. Sie begleiten ihren Bürgermeister, beraten ihn, nehmen Fragen mit in ihre Klasse und nach Hause und beteiligen damit eine größere Umgebung. Die Besuche der Bürgermeister in der Klasse und zu Hause gehören mit zu den üblichen Abläufen.

Die Kinderbürgermeister*innen haben wie ihr erwachsenes Gegenüber die Plakette der Stadt umgehängen. Bei großen Anlässen übernehmen sie Teile des Protokolls. Wenn also der König die Stadt Gouda besucht, ist des die Kinderbürgermeisterin, die ihn gemeinsam mit dem Bürgermeister empfängt, wobei selbstverständlich ein ganz klein wenig die Nase vorn hat. Nach einem Jahr werden sie abgelöst von einem anderen Kind.

 

Kinderwethouder (Kinderbeisitzer)

Wethouder heißt Beisitzer und haben vergleichbare Funktionen wie bei uns in den Kommunen. (wet = Gesetz/Vorschrift) (houden = halten/führen). In der Regel hat eine Stadt 8 – 10 Wethouder (Verkehr, Gesundheit, Wirtschaft…).

Auch die Kinderwethouder werden nach unserem Bildungssystem im 3. Schuljahr gewählt und treten ihr Amt mit Beginn des 4. Schuljahres für ein Jahr an. Sie dürfen bei Sitzungen und anderen Gelegenheiten neben ihrem Beisitzer Platz nehmen. Sehr eingehend werden sie eingeführt in die Aufgaben und die aktuellen Fragen und Probleme. Und sie reden mit und steuern ihre Gedanken bei.

 

Kindercollege (Kindermagistrat)

Der Magistrat ist in Deutschland ein Kollegialorgan an der Spitze der Verwaltung einer Stadt und besteht aus Bürgermeister*in und  Beisitzer*innen. Das ist in den Niederlanden genauso. Also bilden die Kinderbürgermeister*innen und die Kinderbeisitzer*innen das Kindermagistrat.

Kleine Gemeinden wie Harderwijk haben ein Kindercollege, das aus einem Kinderbürgermeister und einem Kinderbeisitzer besteht. Kinder können sich mit Fragen oder Anregungen an die Gemeinde an das Kinderkolleg wenden.

 

KidsKracht – Kraft der Kinder

KidsKracht ist eine Dachbewegung, in der die Kräfte der Kinder um soziale Themen gebündelt werden.  Die Prämisse in diesen Programmen ist immer dieselbe: Kinder sind natürliche Veränderer, die positive Verhaltensänderungen anstoßen.  Basierend auf diesen konkreten Aktionen ermutigen Kinder ihre Umgebung, sich ebenfalls zu beteiligen

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Beispiele

 

Sexualisierte Gewalt an Kindern: Gesundheitsminister bittet Kinderrat um Hilfe
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Am 27. Mai 2018 bekam der Kinderrat der Niederlande Besuch von Hugo Young, Minister für Gesundheit, Wohlfahrt und Sport. Er bat die Kinder zwischen 10 und 12 Jahre offiziell, der Regierung mit Ratschlägen zum Thema sexualisierte Gewalt an Kindern zu helfen. Die Kinder nahmen die Aufgabe sehr ernst und gingen aktiv an Arbeit.

Aber Ratsmitglied Amelie (10) mahnte gleich den Minister: „Mir ist wichtig zu sagen, dass Sie dafür sorgen sollten, dass unsere Beschlüsse in die Tat umgesetzt werden und dass es hier nicht nur ums Zuhören geht.“ Dies versprach der Minister.

 

Hier die Ratschläge, die der Minister bei seinem erneuten Besuch am Tagungsort der Kinder drei Tage später erhielt:

1. Kinder sollten von klein auf wissen, was ein normales Zuhause ist und wie die tägichen Situationen zu Hause aussehen sollten. Es sollten entsprechende Filme gedreht werden, die ein positives Bild widerspiegeln und zeigen, wie Probleme gelöst werden können und wer helfen kann. Damit würden die Kinder eine Ausbildung in “Familie” bekommen.

2. Sorgen Sie dafür, dass die Kinder sich trauen, darüber zu sprechen. Um sicherzustellen, dass Kindesmissbrauch nicht zum Tabu wird, ist es wichtig, dass das Thema in den untersten Klassen (in Deutschland Kita) behandelt wird. Die Kinder können dabei erfahren und einüben, wie sie Hilfe finden können. Zum Beispiel durch speziellen Unterricht, in dem Situationen nachgespielt werden und die Kinder lernen, sich in die Lage eines anderen zu versetzen.
3. Das Wichtigste ist, dass es in der Schule immer jemanden gibt, zu dem man Vertrauen hat. Deshalb sollte jede Schule über eine Vertrauensperson verfügen, mit der die Kinder richtig gut reden können und der weiß, wie man das Problem gemeinsam lösen die Ihnen glaubt und Ihr Geheimnis wahrt.

4. Kinder sollten sich gegenseitig helfen können. Wir sollten die aktive Beteiligung einer Mitschülerin oder eines Mitschülers in kritischen Situation zur Normalität werden lassen und Gelegenheit geben, eine Zeit lang in einer geschützten ruhigeren Situation sein. Kinder sind wichtige Vertrauensperson. Es braucht Strategien für Kinder, die glauben, dass ein anderes Kind zu Hause missbraucht wird, zu reagieren und dies zu melden.

5. Um den Missbrauch zu stoppen, sollten die Ursache dafür untersucht werden. Diese Probleme müssen gemeinsam mit den Eltern gelöst werden. Eine gemeinsame Lösung kann gefunden werden, indem man den Problemen nachgeht, die die Ursache für den Missbrauch sein können, wie Geldprobleme, Streitigkeiten zu Hause oder Sucht und dagegen wirksam arbeiten. Kinder, die missbraucht werden, dürfen nie das Gefühl bekommen, dass sie weniger wert sind.

Wichtig war den Kindern, dass vom frühesten Alter an über die Probleme mit den Kindern gesprochen wird, weil sie nur so sich wehren können. Sie sollen nicht von den Erwachsenen vor den Themen geschützt werden, weil sonst ihr Schutz nicht gelingen kann.

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So geht es nicht:Nationaler Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen
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„Es ist unser aller Aufgabe, Kinder und Jugendliche vor sexualisierter Gewalt zu schützen. Mit diesem Ziel vereint der Nationale Rat gegen sexuelle Gewalt alle staatlichen Ebenen, Betroffene, Zivilgesellschaft, Praxis und Wissenschaft.“ Das sagt Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Dieser Kreis besteht ausschließlich aus Erwachsenen.

 

Da scheint etwas noch nicht verstanden worden zu sein: NIE OHNE DIE BETROFFENEN!

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Nachhaltigkeit fördern: Was tun gegen Kinderarbeit und Armut?
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Wie sorgen wir dafür, dass es weniger Armut gibt? Was können wir gegen Kinderarbeit tun? Das sind Fragen, über die sich Kinder seit 2014 in verschiedenen Kinderräten Gedanken gemacht haben. Ein Kinderrat ist eine Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaft, der Missing Chapter Foundation und Unicef. Er gibt Kindern eine Stimme bei der Suche nach Lösungen für die großen Fragen unserer Zeit. Der Nationale Rat berät bis zur höchsten Verwaltungsebene.

Arbeit an einer Stellungnahme

Vier glückliche Gesichter erscheinen auf dem Bildschirm. Es sind Hannah van Beukering (18), Soete Kolthof (11), Mijntje Dekker (12) und Eponine de Beer (14). Zusammen mit 11 anderen Kindern und Prinzessin Laurentien van Oranje haben sie Minister Kaag vor wenigen Minuten ihre Meinung mitgeteilt. Es war der Abschluss von vier Treffen, bei denen sie über Kinderarbeit nachdachten. Die Mädchen sind immer noch voller Adrenalin, ihre Augen glänzen.

Hannah, die sich seit ihrem achten Lebensjahr für The Council engagiert, sagt: „Nicht jeder war bei jedem Gespräch dabei. Ich war bei der Auftaktveranstaltung mit fünf weiteren Kindern und einem Moderator von Missing Chapter Foundation. Es war wirklich cool: Wir durften Minister Kaag alles fragen“, sagt sie begeistert.

„Ich war bei einem Treffen mit niederländischen Botschaftern aus der ganzen Welt“, fügt Mijntje hinzu. Sie haben uns aufmerksam zugehört. Aus den Ideen aller Treffen wurden dann Empfehlungen für den Minister gemacht“.

Die Ursachen bekämpfen

Was genau ist Kinderarbeit? Darüber haben die Teilnehmer intensiv nachgedacht. Soete erklärt: Es ist keine Kinderarbeit, wenn Kinder im Laden ihrer Eltern helfen. Aber es ist Kinderarbeit, wenn sie dies unter Zwang tun. Hannah nickt: „Kinder sind abhängig. Wenn sie gezwungen werden, können sie nicht ’nein‘ sagen.“

Eponine ist der Meinung, dass Kinder wissen müssen, dass es auch anders gehen kann. Mijntje fügt hinzu, dass auch die älteren Generationen noch etwas lernen müssen: „Vielleicht haben die Eltern und Großeltern als Kinder auch gearbeitet. Sie wissen auch nicht immer, dass man einen besseren Lohn bekommen kann, wenn man zur Schule geht.“

Der Rat ist der Meinung, dass man ohne Geld keine Alternativen anbieten kann. Menschen mit Einfluss, Influencer, könnten helfen, Geld aufzutreiben. Sie müssen große Einflussnehmer sein“, meint Soete, „mit vielen Fans“.

 

Menschen informieren

Nach Ansicht der Kinder ist es wichtig, dass die Unternehmen zeigen, dass ihre Produkte fair sind. Die Unternehmen sollten das mit einem Label zeigen“, meint Hannah. Mijntje erklärt die Idee: Man bringt das Label auf der Verpackung an, macht eine App dafür oder nutzt es in einer Kampagne. Auf diese Weise helfen Sie den Menschen, eine gute Wahl zu treffen.“

„Das stimmt“, meint Hannah, „aber es ist schwieriger, faire Produkte zu kaufen, wenn man wenig Geld hat. Mijntje weiß etwas: ‚Es gibt auch billigere Produkte, die frei von Kinderarbeit sind. Da kann ein Supermarkt Plakate aufhängen. Die Leute, die nicht verantwortungsbewusst einkaufen wollen, sehen dann trotzdem, dass es ein gutes Produkt ist.“

 

Bewusst kaufende Verbraucher belohnen

Wenn Menschen bewusst Produkte kaufen, die frei von Kinderarbeit sind, will der Rat sie belohnen. Zum Beispiel mit Rabatten durch ein Punktesystem. Die Kinder schlagen außerdem vor, dass sich alle im Laden einfach gegenseitig ansprechen sollten. Hannah: „Wenn ein Zehnjähriger dich auf deine Kaufgewohnheiten anspricht, macht das etwas mit dir.

Die Kinder zweifeln nicht daran, dass der Minister ihren Rat ernst nehmen wird. Aber“, fügt Eponine hinzu, „ich hoffe, sie lassen sich in Den Haag etwas einfallen. Ich mag es, wenn man gemeinsam eine Antwort findet. Es wird bestimmt klappen, denn uns Kindern geht es gut. Und bald werden wir die Erwachsenen sein.“

Quelle: Rijksoverheid – Webseite der Regierung

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