Kinderbeteiligung
Wir sind erstaunt darüber, dass wir in Deutschland eine solche Distanz zu unseren Kindern haben und ihnen nicht zutrauen, ihre Zukunft mitzugestalten. Es ist ja so, dass diese Zukunft durch Erwachsene gründlich in Frage gestellt wird. Wir Erwachsene machen viele Fehler, wie wir in Politik, Umwelt und Gesellschaft feststellen müssen. Wir setzen dieses fehlerhafte Verhalten aber auch fort, obwohl wir von Expert*innen gewarnt werden.
Partizipation verweigern ist eine alte Tradition
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In Deutschland gibt es eine sehr alte Tradition, jede Form von Partizipation, so lange es geht, abzulehnen oder zu verzögern.
Wir können beim Adel beginnen. Die Adeligen klebten an ihrer Macht, bis sie ihnen aus der Hand genommen wurde. Sie waren absolut überzeugt: Das Volk ist zu ungebildet, um beteiligt zu werden. Als dann im Bürgertum Reiche mächtig und für den Machterhalt des Adels wichtig waren, wurden sie über das Zensuswahlrecht beteiligt. Die Beteiligung des Volkes kam zunächst ausschließlich den Männern zugute.
Nun verteidigten die Männer ihre Macht gegenüber den Frauen verteidigten. Begründet wurde das damit, dass Frauen wegen ihrer „natürlichen“ Schwäche und der emotionalen Instabilität nicht in der Lage seien, rationale Entscheidungen zu treffen. Ihnen fehle die Bildung und ihre Interessen lägen ohnehin woanders.
Als es gar nicht mehr anders ging, wurden vereinzelt Frauen in den Machtapparat einbezogen. Der Anteil der weiblichen Abgeordneten im Bundestag ist gerade mal bei 36 Prozent. Alle Frauen können noch heute aus ihrem eigenen Erleben beschreiben, dass da nach wie vor noch Defizite bestehen.
Jugendpartizipation Deutschland
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Es gibt inzwischen eine sanfte Form der Jugendbeteiligung. Wir haben gerade beschrieben, dass die Männer die Macht zur widerwillig und vereinzelt mit Frauen geteilt haben. Ähnlich ergeht es jetzt den Kindern und Jugendlichen.
Sie dürfen sich in Gremien Gedanken darüber machen, was ihnen wichtig ist. Ob es dann von den Erwachsenen umgesetzt wird, ist ungewiss.
- Sie seien aufgrund ihres Alters und ihrer mangelnden Erfahrung nicht in der Lage, rationale Entscheidungen zu treffen.
- Sie könnten nicht immer die Konsequenzen ihrer Entscheidungen vollständig verstehen oder vorhersehen.
- Ihre Naivität mache sie zu leicht zum Spielball von gefährlichen politischen und gesellschaftlichen Strömungen.
In den Niederlanden wird das überhaupt nicht so gesehen. Dort sind es die 10 Jährigen, deren Wissen, aber auch ihre sprühende Phantasie genutzt wird, um Irrwege zu vermeiden.
Vorbehalte gegen Kinderpartizipation
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Legen wir einfach mal diese Kriterien auf die Entscheidungen der Erwachsenen an.
- Sie sind trotz Alter und Erfahrung oft nicht in der Lage, rationale Entscheidungen zu treffen.
- Sie können oft die Konsequenzen ihrer Entscheidungen nicht vollständig verstehen oder vorhersehen.
- Ihre Naivität macht sie zu leicht zum Spielball von gefährlichen politischen und gesellschaftlichen Strömungen.
Wo also ist das Problem? Kinder und Erwachsene gleichen sich doch so sehr!
Noch einmal zurück zu den Adeligen. Im Rückblick ist es sehr leicht, deren Vorstellungen merkwürdig zu finden.
Aber schaffen wir es, unser heutiges Verhalten aus der notwendigen Distanz so zu betrachten, dass wir uns auch merkwürdig finden?
Können wir erkennen,
- dass die Adeligen Angst hatten – vor dem Volk?
- dass die Männer Angst hatten (und haben) – vor den Frauen?
- dass jetzt die Erwachsenen Angst haben vor den Kinder?
Plädoyer für Kinderbeteiligung
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Erwachsene arbeiten lieber mit Jugendlichen als mit Kindern. Jugendlichen ab 12 Jahren können sie bereits schon auf „ihrer“ Ebene begegnen. Sie sind bereits auf dem Weg ins Erwachsenendenken und so ist es leichter, sich mit ihnen sprachlich und inhaltlich zu verständigen.
Mit Kindern bis 12 Jahren ist es aber anstrengender. Sie denken und sprechen anders. Sie sind ein bisschen unkalkulierbar.
Für uns, in unserer aktuellen ausweglosen Situation, in der wir als Erwachsene stecken, sind sie Gold wert. Genau das hat ihre Königliche Hoheit Prinzessin Laurentien der Niederlande erkannt und sie veranlasst, eine Form der Kinderbeteiligung in ihrem Land einzuführen, die wir in diesem Buch beleuchten wollen.